Nach nun zwei ähnlichen Fällen in jüngster Vergangenheit muss ich mir einfach mal wieder ein wenig Luft machen. Ich werde ab und zu mal gefragt, ob ich nicht eine Website für jemanden erstellen kann, lehne dies aber üblicherweise ab. So bin ich schlicht kein guter Designer. Ich habe zwar 20 Jahre IT Erfahrung und hatte meine ersten erfolgreichen Websites schon vor über 15 Jahren im Netz, doch ein guter Designer bin ich deswegen noch immer nicht. Zwar glaube ich, gute Designs einigermaßen sicher zu erkennen, sobald ich sowas aber selbst „from scratch“ aufbauen soll, kommen eben solche dabei nur selten zustande. Ich bin da mehr der Typ „Techniker“, der zwar einigermaßen fit in Photoshop & Co. ist, im Querschnitt aber nur mittelmäßige eigene Designs hinbekommt: Manche sind mir heute eher peinlich, andere dagegen sind einigermaßen gelungen. Allerdings brauche ich sicherlich drei mal so lange, wie jeder gute Kommunikationsdesigner. Mit solchen Voraussetzungen kann man gerne für eigene Zwecke Seiten erstellen (oder auf Templates aufbauen), was ich über die Jahre auch zur Genüge getan habe, aber Kundenaufträge in diesem Bereich? Nein danke, da will ich mir keine Blöße geben.
Offenbar bin ich da aber eine seltene Spezies, denn da draußen tummeln sich jede Menge selbsternannter „Webdesigner“ mit wenig Kompetenz, dafür aber umso mehr Selbstvertrauen und starkem Auftreten.
Fall 1: Der Zahnarzt und die Studentin
Ein Zahnarzt, auf der Suche nach einer Homepage, lässt sich eine solche von einer Medien“irgendwas“ Studentin (ganz offensichtlich war es nicht -design!) erstellen, Kostenpunkt 3000 Euro, die Rechnung des separaten Fotografen noch obendrauf. Ergebnis: Schlecht, und zwar so richtig. Jedenfalls für 3000 Euro. Ich kenne Leute, die haben für eine Null weniger richtig schöne, eingängige, Seiten gemacht, doch diese gehört nicht dazu. Man wäre mit jeder 1&1 Baukastenseite besser gefahren. Schwer zu beschreiben, aber es hat diesen „schon tausendmal gesehen“-Look im alten Realschüler-mit-Frontpage-Stil, das Wort Baukasten wurde übrigens vom Kunden selbst dafür genutzt. Der Zahnarzt war unzufrieden. Aber tja, so isses halt. DREITAUSEND EURO.
Fall 2: Der Friseurladen und der Template-Blender
Nachdem ich mit den üblichen Ausreden „keine Zeit, keine Lust und überhaupt“ abgelehnt hatte, wurde der Laden später noch fündig und suchte sich unter mehreren Angeboten das für „nur 1000 Euro“ aus. Ich durfte mir die Seite hinterher ansehen: War recht schick, modern, „fancy Slider“ auf der Hauptseite, responsive… ja, echt brauchbar. Doch dann wurde ich misstrauisch und schaute in den Footer: „Template by … „. Da war ich baff, es war einfach nur ein kostenloses WordPress Template. Texte und Bilder wurden vom Inhaber geliefert, habe ich mir sagen lassen. Wow, ein Tausender für WP mit fertigem Template. Der Kunde hatte natürlich keine Ahnung davon, was WordPress überhaupt ist und schon gar nicht die Zugangsdaten dafür bekommen. Stattdessen aber ein Angebot, gegen Pauschalpreis monatlich eventuelle Änderungen eingepflegt zu bekommen. IN WORDPRESS! Ich gab letztlich nur den Rat, den Abzocker in den Wind zu schießen und zu zeigen, wie man in WordPress diese Änderungen selbst und kostenlos umsetzen kann.
Ich würde mich schämen und ernsthaft um meinen Ruf bangen, würde ich 1000 Euro nehmen, um WordPress mit einem kostenlosen Template aufzusetzen und dort ein paar Texte und Bilder reinzupasten. Habe den komischen Typen, pardon professionellen Webdesigner, direkt gegoogelt und festgestellt, dass er das Spielchen offenbar immer so treibt.
Klar, Ahnungslose wurden schon immer beschissen, das ist leider so. Aber gefühlt würde ich sagen, dass die Leute damals maximal 500 Euro für eine schlechte Website beim Hinterhofdesigner bezahlt haben. Vielleicht passen die Inkompetenzler ja heutzutage die Preise in Richtung Agenturniveau an, da teuer = gut, wie jeder weiß? Ich weiß es nicht und frage mich, ob ich mich nun über die Unehrlichkeit der anderen oder eher meine eigene Ehrlichkeit ärgern soll?
greg
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