Gemessen an der Zahl der Mails und Kommentare, die ich immer wieder zum E-Commerce Studium an der FHWS in Würzburg bekomme, scheint die Frage langsam aber sicher immer mehr Leute zu beschäftigen. Und ich denke, nach drei Semestern fühle ich mich zumindest halbwegs in der Lage, ein wenig bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Schließlich steht die Marschrichtung allmählich fest und bei der doch recht überschaubaren Zahl an Kommilitonen bekommt man auch schnell mit, wo der Schuh besonders oft drückt. Der nachfolgende Text ist somit für etwa die erste Hälfte des Studiums zu verstehen, die andere wird beschrieben, wenn es soweit ist 😉
„Wie viele von Ihnen haben denn schon eine eigene Website oder einen Blog?“
Ein bezeichnender Satz für dieses Studium und mehr als ein Prof hat diese Frage bereits während der Vorlesung beiläufig gestellt. Die Antwort darauf bestand regelmäßig aus etwa zwei oder drei müde erhobenen Händen – gut, weitere drei oder vier waren vermutlich noch zu Hause im Bett. Mich persönlich hat das aber extrem überrascht. Nicht das mit dem Bett, aber ich bin davon ausgegangen, wer E-Commerce studiert ist mindestens ein ganz klein wenig IT-Nerd oder hat zumindest die ersten Gehversuche mit Webtechniken wie HTML hinter sich. Ja, natürlich gibt es davon auch einige. Doch im Großen und Ganzen ist dem eher nicht so. Das erklärt vermutlich auch, warum sich so viele schwertun mit dem Informatikanteil. Nur ein paar Stichworte dazu, was einem hier bei EC so begegnen wird: Java, Javascript, HTML, CSS, XML, NodeJS, Client-Server Geschichten, Webservices, SQL. Und das sind nicht nur kleine Randerscheinungen im Studium. So stellt sich schnell die Frage, wie viele sich letztlich nur deswegen zu E-Commerce eingeschrieben haben, weil es einfach nur ganz cool anhört 😉
E-Commerce = „Informatik light“ + etwas BWL + X
So oder so ähnlich könnte man es eigentlich ganz treffend formulieren. Das erste Semester unterscheidet sich kaum bis gar nicht vom Wirtschaftsinformatikstudium. Grundlagen der Informatik, Programmieren I + II, Webtechnologien, Web- & Scriptsprachen und Datenkommunikation waren zudem reine Informatikvorlesungen der vergangenen drei Semester (und es werden weitere kommen). Der Programmieranteil dabei ist absolut nicht zu unterschätzen, besonders Java und Javascript begegnet man immer wieder. Wer zuvor noch nie ein paar Zeilen Code vor sich hatte – und sei es nur HTML und irgend eine einfache Sprache mit Schleifen und if/else Konstrukten – könnte schnell gefrustet sein und mit dem Schieben dieser Prüfungen anfangen. Davon kann natürlich nur abgeraten werden, denn es wird nicht besser. Unser Studiengang startete mit etwa 60 Studenten und wie man an den folgenden Grafiken sehen kann, nahmen bereits an der Prüfung zu Programmieren I gerade einmal 27 Teil – 17 davon haben bestanden. Bei Programmieren II sieht es ganz ähnlich aus. Mehr als die Hälfte schob also schon diese sog. Grundlagenfächer – das bedeutet, dass sie relativ früh im Studienverlauf erstmals abgelegt sein müssen – vor sich her. Noch jetzt im dritten Semester knabbern einige an Prog I und II.
„Muss ich also bereits (gut) programmieren können?“
Schadet sicher nicht 😉 Aber nein, natürlich ist alles erlernbar. Wer schon ein paar Grundkenntnisse mitbringt, wird stark davon profitieren. Wer nicht, sollte zumindest ordentlich Neugier und „Bock“ haben, mal etwas zu programmieren und umzusetzen. Sonst ist Frust fast vorprogrammiert (nettes Wortspiel). Mit Java und Javascript beispielsweise hatte ich vor dem Studium auch nichts am Hut, war dafür aber schon ganz fit in HTML, CSS und PHP aufgrund der verschiedenen Webprojekte, an denen ich mich über die Jahre versucht habe. Java(script) war daher für mich extrem interessant um neues Knowhow zu erwerben, das ich in Zukunft sicher an weiteren Projekten vertiefen werde. Etwas relativierend muss man nämlich sagen, dass zumindest bis jetzt die Programmierung im Studium doch oberflächlich bleibt. Proficoder wird man vom EC Studium alleine eher nicht, sondern bekommt aus verschiedenen Disziplinen gute Grundlagen mit. Es ist eben doch kein Informatikstudium! Aber dennoch: Trotz meiner Vorkenntnisse habe auch ich mir nicht immer ganz leicht getan, doch die Lernkurve war dadurch recht steil.
Vom BWL-Teil dagegen sind dann lustigerweise wieder viele derjenigen genervt, denen die Informatik gut liegt 😉 Aber auch da muss man durch: Grundlagen der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, Rechnungswesen, Unternehmensgründung. Oder in anderen Worten, ein bißchen Nachfrage- und Angebotskurven, Buchungen, etwas Eigenkapitalrentabilität, Gesellschaftsmodelle, Steuern usw. Hält sich noch in Grenzen, die Durchfallquoten bei BWL/VWL im ersten Semester waren aber trotzdem beachtlich (36 von 57 bestanden). Jeder, der in der Schule den Wirtschaft und Recht Leistungskurs hatte, wird aber keinerlei Probleme haben. Ähnliches dürfte auch für Mathe I + II gelten, im vierten Semester kommt zudem noch Statistik auf uns zu.
Und das X?
Die meisten der Vorlesungen, die über die Bereiche reine Informatik, BWL und Mathe hinausgehen würde ich in die Kategorie „verdammt interessant“ einordnen. Zu einem großen Teil traf das für mich zwar auch bei der Informatik zu, aber da hat jeder so seine eigene Meinung. Online Marketing (inkl. Suchmaschinenoptimierung), Grundlagen des E-Commerce, Usability & Conversionsoptimierung, mobile Systeme… das sind alles recht coole Geschichten, die Spaß machen. Zwar hatte ich durch Web- und Affiliateprojekte auch hier schon einiges an Vorwissen, konnte aber mindestens nochmal genauso viel mitnehmen – damit ist nicht das kostenlose Website Boosting Abo gemeint! – und teilweise sogar direkt irgendwo ausprobieren oder umsetzen. Prädikat empfehlenswert.
Also was jetzt, ja, nein, vielleicht?
Das kann hoffentlich jeder Interessent am E-Commerce Studium nach diesem Artikel ein wenig besser einschätzen als zuvor. (M)ein Fazit nach drei Semestern in Halbsätzen: Kein Spaß an Informatik? Wenig Spaß am EC-Studium!
greg
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