Dann will ich jetzt mal. Das erste Semester ist technisch gesehen gelaufen, die Prüfungen geschrieben, Noten kommen bald – ich bin schon ganz gespannt. Es geht um das E-Commerce Studium an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt in Würzburg. Bin ja selbst als alter Sack gestartet und im Schnitt fast zehn Jahre älter als die meisten meiner Kommilitonen, daher war das natürlich erstmal eine spannende Geschichte, nochmal die (Hoch)schulbank zu drücken. Als jene noch nichtmal zur Schule gingen, hatte ich also schon meine ersten Webseiten im Netz – eigentlich witzig. Aber genug von mir, es soll ja schließlich um das Studium gehen und ob es sich für Interessenten lohnen könnte, auch in Würzburg mit E-Commerce anzufangen. Vorweg: Na aber klar! 🙂
Der Bachelor E-Commerce in Würzburg ist schon deswegen etwas ganz Besonderes, weil es diesen Studiengang meines Wissens bislang nur an zwei staatlichen Hochschulen in ganz Deutschland gibt. Die Anzahl der jährlich beginnenden Studenten wird zudem sehr gering gehalten und der Bedarf an E-Commerce Fachkräften mit einer solchen neuen, spezialisierten Ausbildung dürfte eigentlich, so darf man hoffen, exzellente Jobchancen versprechen. Ob das mit meinen jetzt schon 30 Jahren später bei der Bewerbung auch noch so einfach wird, muss sich allerdings noch zeigen 😉
Im ersten Semester sitzt mal als E-Commerceler noch recht häufig mit den (deutlich zahlreicheren) Wirtschaftsinformatikern zusammen: Grundlagen der Informatik, Programmieren, Mathe, BWL… die Grundlagenfächer teilt man sich zunächst mal. Im WS 13/14 haben mit mir übrigens etwa 70 Studenten angefangen (WInfo dürften mehr als doppelt so viele sein), angeblich gab es einen NC, was ich mit meinem schlechten Abi aber nun nicht zwingend bestätigen kann, aber vielleicht war das auch nur der Altersbonus für mich 😉 E-Commerce unterscheidet sich vorallem von Wirtschaftsinformatik später darin, dass es eben vorallem um die Onlinebranche gehen wird, Suchmaschinenoptimierung, Adwords, Webtechnologien, Onlineshops, Online Marketing und so weiter. WInfo dagegen richtet sich mehr an die Industrie mit Geschichten wie SAP und dürfte tendenziell auch etwas mehr Fokus auf das „W“ im Namen legen.
Da EC auch erst im dritten Jahr an der FHWS läuft, ändert sich natürlich noch hier und da ein wenig. Der Studienaufbau wurde mit meinem Semester bereits spürbar verändert, so wurden Mathe und Programmieren in früheren Semestern noch nicht benotet (D’Oh!) und diverse Vorlesungen werden noch immer von Semester x nach Semester y verschoben. Ich möchte hier aber mal eine zusammenfassende Übersicht der Fächer des ersten Semesters geben, natürlich höchst subjektiv:
Grundlagen der Informatik: Schwerpunkte auf binären Zahlensystemen und Umrechnungen dazu, Turing Maschinen, Zustandsdiagrammen, einfache Syntaxsprachen (EBNF), „wie funktioniert eine CPU?“, Register, Hardware. Eben die üblichen Grundlagen. Relativ wenig Lernstoff, mehr Verständnisgeschichten und Übungen. Interessante Vorlesung, guter Dozent, Prüfung sehr fair.
Grundlagen des E-Commerce: Interessante Vorlesung rund um SEO, Affiliate Marketing, Newsletter, Adwords, Google Analytics, Social Media… alle Grundlagen mal angerissen. Hat man aber schon einen gefestigten Hintergrund in diesen Dingen, wird man sich eher ein wenig langweilen und wundern, wieviele Menschen EC studieren und noch nie etwas von diesen Begriffen gehört haben. Eher viel auswendig zu lernen für die Prüfung und ein paar (sehr simple) Rechnungen (rund um CTR, CR, Adrank…), alles aber absolut nicht wild. Dennoch fand auch ich es sehr interessant und habe trotz Vorkenntnissen praktisch immer noch richtig interessante Infos oder Eingebungen mitnehmen können. „Luschdiger“ Dozent 😉 Dieses Fach wird übrigens zusammen mit Grundlagen der Informatik an einem gemeinsamen Prüfungstermin abgefragt.
Mathe: Mein Kryptonit! Allerdings wurde Mathe neuerdings aufgeteilt in Mathe 1 im ersten Semester (welches wiederum aus zwei verschiedenen Vorlesungen mit zwei Dozenten besteht) und Mathe 2 im zweiten Semester. Die erste der beiden Vorlesungen beschäftigt sich mit Logik und Zahlensystemen (AND, OR, NAND, NOR, XOR, Wahrheitstafeln, Modulorechnung…). War für mich völlig neu und anfangs abschreckend. Stellte sich aber als halb so wild heraus. Dozent ist ziemlich gut, Klausur war fair und machbar. Die zweite Vorlesung geht in Richtung Algebra: Matrizen, Gauß Algorithmus, Linearen Gleichungssystemen. War letztendlich sogar für mich als notorischen Matheversager gut machbar, auch dank der (sehr) fairen Klausur. Mehr Angst habe ich jetzt nur vor dem kommenden Mathe 2.
Grundlagen der Wirtschaftswissenschaften: Auch hier wieder aufgeteilt in zwei Vorlesungen, die in einer Klausur münden, nämlich BWL und VWL. Wie BWL eben so ist (ich habe lange genug Medienwirtschaft studiert) ziemlich trocken und wenig spannend: Rechnungswesen, Produktionsfaktoren, Rechtsformen. Aber gut machbar. VWL dagegen war dank des recht „originellen“ Dozenten ziemlich interessant, ich habe tatsächlich noch nie Mikro- und Makroökonomie so interessant verpackt hören dürfen. Mag aber daran liegen, dass ich das alles auch schon einmal hatte, denn nach der Prüfung gab es jedenfalls sehr viel Gejammer.
Programmieren I: Eines der Kernfächer und angeblich das mit der höchsten Durchfallquote neben Programmieren II im zweiten Semester. Ich verstehe nun auch warum. Es geht um die Programmierung in Java, zu meiner großen Überraschung wird eine sanfte Einführung aber völlig weggelassen und es geht praktisch ab der ersten Vorlesung richtig ans Eingemachte. Das Niveau steigt dabei schnell an. Mit meiner Vorerfahrung in PHP und diversen Scriptsprachen (und natürlich dem guten alten BASIC aus der Jugend 😉 ) hatte ich keinerlei Einstiegsprobleme, im späteren Verlauf halfen diese mir aber auch nur noch bedingt, spätestens bei der Objektorientierung war es für mich vorbei mit Vorwissen. Prog I dürfte die am häufigsten geschobene Prüfung sein, die Klausur war wirklich sehr anspruchsvoll und brachte mehr als eine weinende Kommilitonin zu Tage, die direkt abgebrochen hat – was ich ehrlich gesagt sogar nachvollziehen bzw. mitfühlen konnte. Recht gewöhnungsbedürftig fand ich dabei die Tatsache, dass die Klausur komplett mit Blatt und Papier zu schreiben ist, bei korrekter Java Syntax. Also nichts mit Eclipse und Co! Aufgabenstellung war wie erwähnt insgesamt durchaus anspruchsvoll (z.B. Algorithmen für bestimmte Probleme entwickeln und eine passende Methode dazu schreiben). Vorbedingung zur Prüfungszulassung ist dabei die wöchentliche Übung, deren Übungsblätter man binnen einer Woche zur Bewertung handschriftlich abgeben muss. Hier ist eine gewisse Mindestpunktzahl nötig. Da man diese aber natürlich auch abschreiben kann, ist das keine wirkliche Hürde, jedoch verbaut man sich die Chancen auf einen Prüfungserfolg damit eigentlich schon selbst. Auch das Schieben dieser vermutlich härtesten Prüfung des ersten Semesters kann ich nicht wirklich empfehlen – auch wenn es vielfach praktiziert wurde – da es in den weiteren Semestern zum Thema Coding nicht gerade leichter oder weniger wird. Definitiv also ein Fach, mit dem sich der Studiengang ausdünnen wird bzw. auch mit dessen Nachfolgevorlesung Programmieren II. Insbesondere ohne jegliche Vorkenntnisse muss man damit rechnen, dass man schon während des Semesters allein hierfür soviel Zeit aufbringen muss, wie womöglich für alle anderen Vorlesungen zusammen! Unsere Facebookgruppen bestanden gefühlt zu 80% aus Fragen rund um Java und die Übungsaufgaben. Die Prüfung an sich würde ich zwar nicht als unfair bezeichnen, denn machbar war sie auf jeden Fall, aber definitiv als sehr knackig und ambitioniert. Bin schon auf die Notenstatistik gespannt 😉
English for IT: Hier gibt es wenig zu sagen, Englisch eben. Ich fand es sehr angenehm insgesamt. Interessant wäre höchstens zu erwähnen, dass es an der FHWS wohl eine Regelung gibt, die besagt, dass man u.a. einen Schnitt von mindestens 2,3 in Englisch haben muss, wenn man später den Master machen möchte (neben einem gewissen Bachelorschnitt). Hat man dies nicht, muss man zusätzlich noch einen Englisch-Intensivkurs belegen.
Damit dürfte Semester 1 abgehandelt sein. Besonders meine eher längere Ausführung zu Programmieren I zeigt aber, dass der E-Commerce Bachelor nicht nur aus „ein bisschen Spielerei mit dem Internet“ besteht, sondern der „harte“ Informatikteil mehr als nur eine kleine Nebenrolle spielt. Wer also noch nie etwas programmiert oder auch noch keine eigene Website oder Blog gestartet hat, sollte sich womöglich mal ein wenig mit diesen Themen beschäftigen, wenn er mit diesem Studiengang liebäugelt. Es dürfte definitiv nicht schaden. Wer aber ohnehin eher IT Geek ist wie ich es bin und ebenfalls nicht den gar so tiefen, technischen und vielleicht abstrakten Weg des normalen Informatikstudiums gehen will, wird sicher vielen interessanten Dingen begegnen. Aber nach nur einem Semester muss ich mich natürlich auch noch stark mit Einschätzungen zurückhalten und selbst mal sehen, wie es so weitergehen wird. Bis jetzt jedenfalls glaube ich nicht, dass meine Wahl ein Fehler war 🙂
Kurz zur FH selbst: E-Commerce findet fast ausschließlich am nagelneuen FH Gehäude am Sanderheinrichsleitenweg statt, wo nebenbei noch Wirtschaftsinformatik, Informatik und die Kommunikationsdesigner beheimatet sind. Ein Starwars-ähnlicher Bau mit viel Hightec und ständig spinnenden automatischen Außenrolladen 😉
Ich hoffe, dieser kurze Anriss über das E-Commerce Studium kann dem einen oder anderen ein wenig weiterhelfen bei seiner Wahl. Wenn es noch Fragen gibt, einfach einen Kommentar hier hinterlassen, ich werde versuchen, so gut es mir möglich ist, Auskunft zu geben. Abschließend darf aber auch nicht fehlen, wenigstens noch ganz kurz zu betonen, dass es ganz allgemein keine schlechte Entscheidung ist in einer Stadt wie Würzburg zu studieren! 🙂
Link zur offiziellen Seite EC an der FHWS: klick!
(Update: Ich habe alle Prüfungen mit „gut“ oder „sehr gut“ bestanden 🙂 )
(Update: Ein E-Commerce Studium Resümee nach dem zweiten Semester gibt es inzwischen auch schon!)
greg
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